Rechtsprechung
Hier finden Sie eine Auswahl derjenigen Fälle aus der aktuellen Rechtsprechung auf dem Gebiet des Arzthaftungsrechts dargestellt, die den in den Kanzlei Dr. Vachek Rechtsanwälte tätigen Fachanwälten für Medizinrecht besonders interessant erscheinen. Die einzelnen Fälle können auch Ihnen als erste Einschätzung dafür dienen, zu erkennen, inwieweit in Ihrem Fall ein ärztlicher Behandlungsfehler vorliegt oder ob sich lediglich eine Komplikation verwirklicht hat, die zwar einen Schaden verursacht hat, jedoch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld gibt.
Behandlungsalternativen vor Hüft-OP
Mehr lesen Wenn das Gericht den durch eine Veröffentlichung in einer Fachzeitschrift belegten Vortrag einer Partei zur Aufklärungspflicht des Arztes über Behandlungsalternativen vor einer Hüftoperation nicht berücksichtigt, ist der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt. BGH, Beschluss vom 17.4.2018, Az. VI ZR 140/17
Grober Befunderhebungsfehler bei Behandlung eines Säuglings
Mehr lesen Ein Schmerzensgeld von 500.000 € kann bei einer grob fehlerhaften, nachgeburtlichen Behandlung eines Säuglings gerechtfertigt sein, wenn diese eine Schwerstschädigung verursacht. Dabei kann berücksichtigt werden, dass der geschädigte Säugling durch die mit ihr lebende (gesunde) Zwillingsschwester tagtäglich ihre Einschränkungen im Vergleich zu dieser vor Augen geführt bekommt. KG Berlin, Urteil vom 11.12.2017 – 20 U 19/14
Übergegangener Vortrag einer Partei bei einem groben Behandlungsfehler
Mehr lesen Das Gericht verletzt den Anspruch der Partei auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG, wenn es bei der Annahme, ein Behandlungsfehler sei nicht als grober Fehler anzusehen, von der Partei vorgetragene, für die Bewertung des Behandlungsgeschehens erhebliche Umstände übergeht (hier: Vortrag dahin, der Fehler beruhe auf einem Organisations- bzw. Übertragungsfehler, nicht auf einer Abwägung der Chancen und Risiken der unterbliebenen Befundung). BGH, Beschluss vom 7.11.2017, Az. VI ZR 173/17
Miterlebter Tod des Ehemannes als Schockschaden
Mehr lesen Schockschäden infolge des miterlebten Todes naher Angehöriger, die zu pathologisch fassbaren Gesundheitsbeeinträchtigungen des Miterlebenden führen und über die gesundheitlichen Beeinträchtigungen hinausgehen, denen Hinterbliebene bei der Benachrichtigung eines tödlichen Unfalls eines Angehörigen erfahrungsgemäß ausgesetzt sind, sind ersatzfähig. OLG Frankfurt, Urteil vom 6.9.2017 – 6 U 216/16
Zahnarzthaftung bei Abweichung von schulmedizinischen Standards
Mehr lesen Die Entscheidung des Arztes für die Wahl einer nicht allgemein anerkannten Behandlungsmethode (hier: ganzheitliche Zahnmedizin) setzt eine sorgfältige medizinische Abwägung von Vor- und Nachteilen unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und des Patientenwohls voraus. Bei dieser Abwägung müssen auch die Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Schulmedizin berücksichtigt werden. Je schwerer und intensiver der Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Patienten ist, desto höher sind die Anforderungen an die medizinische Vertretbarkeit der gewählten Behandlungsmethode. BGH, Urteil vom 30.5.2017, Az. VI ZR 203/16
Querschnittslähmung infolge Operation der Halswirbelsäule
Mehr lesen Eine im Verlauf einer ärztlichen Heilbehandlung erlittenen Querschnittslähmung unterhalb des dritten Halswirbels mit der Folge, dass dem Geschädigten keine Willkürbewegungen der Arme und Beine mehr möglich sind und dass das sensible Empfinden im Bereich des Stammes und der Extremitäten einschließlich des sexuellen Empfindens fehlt und aufgrund einer Zwerchfellbeeinträchtigung eine eigenständige dauerhafte Atmung nicht mehr möglich ist, was eine Langzeitbeatmung zur Folge hat und zur Beeinträchtigung des Sprechvermögens führt, rechtfertigt eine Zahlung von 400.000 € Schmerzensgeld. OLG Hamm, Urteil vom 11.11.2016, Az. 26 U 111/15
Befunderhebungsfehler
Mehr lesen Dem Arzt ist kein Diagnoseirrtum, sondern ein Befunderhebungsfehler vorzuwerfen, wenn die unrichtige diagnostische Einstufung einer Erkrankung ihren Grund bereits darin hat, dass der Arzt die nach dem medizinischen Standard gebotenen Untersuchungen erst gar nicht veranlasst hat. Eine Beweislastumkehr nimmt einer Partei, der sie zum Nachteil gereicht, nicht die Möglichkeit, den Beweis des Gegenteils zu führen. BGH, Urteil vom 26.1.2016 – VI ZR 146/14
Handyfotos von Behandlungsfehlern als Beweis
Mehr lesen Das OLG Oldenburg hat mit Urteil vom 28.10.2015 (Az. 5 U 156/13) entschieden, dass Handyfotos von Behandlungsfehlern als Beweismittel zugelassen werden können. Im konkreten Fall hatte eine Mutter mittels Handybildern festgehalten, dass die Hirnhautentzündung ihres Kindes zu spät erkannt und behandelt wurde. Dem Kind mussten beide Unterschenkel amputiert werden. Die Eltern hatten auf Schmerzensgeld und Schadensersatz geklagt.
Aufklärung über Risiken bei unterschiedlichen Operationsmethoden
Mehr lesen Eine total extraperitoneale Hernioplastik (TEEP/TEP) ist gegenüber einer transabdominellen präperitonalen Hernioplastik (TAPP) mit geringeren, allerdings anderen Risiken behaftet. Daher muss ein Patient über beide Methoden auch dann aufgeklärt werden, wenn die alternativ in Betracht kommende im jeweiligen Krankenhaus nicht praktiziert wird. LG Koblenz, Urteil vom 15.10.2014, AZ. 5 U 976/13
Aufklärung bei Neulandmethoden
Mehr lesen Ein Operateur muss grundsätzlich nicht über den Einsatz thermischer Koagulationsgeräte aufklären. Dies ist darin begründet, dass diese standardmäßig verwendet werden und dem Operateur insoweit die freie Therapiewahl zusteht. Der Patient muss aber über die konkrete Anwendung des Koagulationsgeräts dann aufgeklärt werden, wenn das Koagulationsgerät außerhalb des üblichen Anwendungsbereiches im Sinne einer neuartigen Methode (hier: Verwendung zum Verschluss des Ductus cysticus im Jahre 2009) verwandt wird, was mit unkalkulierbaren Risiken einherging. LG Mainz, Urteil vom 8.7.2014, Az. 2 O 126/12