SZ-Artikel vom 10. Mai 2016:

Jeden Tag mehr als 3 Behandlungsfehler in Bayern

„Fast 500 Behandlungsfehler hat die AOK in Bayern im vergangenen Jahr bei ihren Versicherten registriert. Täglich sind das 1,3 Fälle, wie die Krankenkasse am Dienstag mitteilte. Am häufigsten passieren Fehler in der Chirurgie, der Orthopädie und der Zahnmedizin sowie Kieferchirurgie. Auf alle gesetzlich Krankenversicherten im Freistaat hochgerechnet könne man von rund 1200 Fällen jährlich ausgehen, sagte Dominik Schirmer, Bereichsleiter Verbraucherschutz bei der AOK. Dies seien 3,4 Fälle pro Tag. „Das ist eine Zahl, die erschreckt“, sagte Schirmer.

Seit dem Jahr 2000 hat die Kasse rund 5200 Behandlungsfehler gezählt und knapp 35 000 Versicherte wegen eines vermuteten Behandlungsfehlers beraten. Dies ist für die Betroffenen kostenlos. Die AOK wolle aus diesen Zahlen Lehren ziehen und solche Vorfälle künftig vermeiden. Bisher würden Behandlungsfehler oft tabuisiert und als individuelles Versagen gebrandmarkt, statt aus ihnen zu lernen.

„Wir brauchen daher auch dringend ein bundeseinheitliches Zentralregister für Behandlungsfehler“, forderte Schirmer. Es sei nicht sinnvoll, dass Ärztekammern, Krankenkassen und Gerichte hier unterschiedlich zählen. Um den Betroffenen zu helfen, müsse zudem ein Teil der Beweislast zu den Ärzten wandern. Mit etwa 4,3 Millionen Versicherten ist die AOK Bayern die größte Krankenkasse im Freistaat. Die Betroffene Maria Thamerus schilderte ihren eigenen Fall: Aufgrund eines Fehlers bei einer Bandscheiben-OP im Jahr 2009 ist sie heute querschnittsgelähmt. Die Ärzte verwendeten damals zu lange Schrauben, die das Rückenmark schädigten. „Als ich aus der Narkose erwachte, war ich gelähmt und hatte brutale Schmerzen“, erzählte Thamerus. Sie musste noch mehrmals operiert werden. Erst sechs Jahre später erhielt sie nach einem gerichtlichen Vergleich eine größere Geldsumme.

Zivilprozesse dauerten meist zwei bis drei Jahre, sagte der Fachanwalt für Medizinrecht, Marcel Vachek. Im Fall einer Berufung vergingen weitere ein bis zwei Jahre. Dennoch lohne sich der Streit oft, denn die Höhe der Schmerzensgelder gerade bei schweren Schädigungen steige tendenziell. Außerdem sollten die Betroffenen nicht zu lange warten, denn sobald ein Behandlungsfehler durch ein Gutachten bestätigt wurde, laufe die Verjährungsfrist von drei Jahren.“

Abdruck mit freundlicher Genemigung der dpa Deutsche Presse-Agentur GmbH, Hamburg, www.dpa.de

  • Hier gelangen Sie zum Original-Artikel der Süddeutschen Zeitung,
  • zum Bericht des Bayerischen Rundfunks über den Report
  • bzw. zur Sendung in der Frankenschau vom 10. Mai 2016 mit Rechtsanwalt Dr. Vachek.


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